Am 29.3.2022 wurde im Projekt IMOK dem Projektbeirat der aktuelle Stand präsentiert. Schwerpunkt der Präsentation waren ‘Grundsätze, Maßnahmenüberblick und Schlüsselprojekte’.
Ein erster Punkt betrifft das Vorgehen, dort genauer gesagt die Ableitung und Definition der sogenannten Grundsätze. Diese Grundsätze werden aktuell aus den Ansprüchen der einzelnen Verkehrsteilnehmer/-arten abgeleitet.
Vor dem Hintergrund, dass z.B. in Deutschland im Straßenverkehr mehr Treibhausgase ausgestoßen wurden als in den Klimazielen vereinbart und laut aktuellem Bericht des Weltklimarates IPCC insgesamt die Emissionen schnell sinken müssen, muss die Frage im Mittelpunkt stehen, welchen Beitrag die einzelnen Verkehrsarten zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten können.
Weiterhin sind die bisher formulierten Grundsätze nicht konfliktfrei zueinander. Der Hinweis darauf wurde der Art beantwortet, dass es dann Einzelfallentscheidungen geben werde. Vor dem Hintergrund des immer beklagten Personalmangels ist es allerdings fatal, kein standardisiertes und proaktives Vorgehen zur Konfliktlösung in der Hand zu haben. Einzelfallentscheidungen zur Lösung binden genau das ohnehin knappe Personal, Einzelfallentscheidungen sind teuer durch hohe Prozesskosten und nicht zu vergessen die bekannte Dauer der einzelnen Entscheidungsfindung.
Im Gegensatz dazu wurden insbesondere zum Ende des Meetings von den Planern mündliche Aussagen getroffen, dass es Ziel sei, den Fuß- und Radverkehr zu bevorzugen, und dass der klare Wille bestehe, Verkehre vom MIV zum Umweltverbund ‘umzuschichten’. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass Radwege als eigene Infrastruktur gedacht werden, und man die bestmögliche Trennung von MIV und Fußverkehr anstrebe. Konkret zum MIV gab es die Aussage, dass es für den MIV viele parallele Strukturen gibt, und das solle sich ändern durch Definition und Ausbau eines Vorzugsnetzes.
Solange der Kern dieser Aussagen nicht als Einleitung, als Präambel, als oberster Grundsatz im IMOK genannt wird, bleibt es nach allen Erfahrungen mit ähnlich gelagerten mündlichen Aussagen bei einem frommen Wunsch, der von Einzelfallentscheidungen überplant werden wird.
Darüber hinaus vermissen wir das klare Bekenntnis, dass besonders gefährdete Personengruppen besonders geschützt werden müssen. Personengruppen ohne die Möglichkeit, ein KFZ zu führen (u.a. Kinder!), müssen die Möglichkeit haben, unabhängig z.B. mit dem Fahrrad mobil zu sein. Wenn die mündlich getroffenen Aussagen wirklich gelten sollen, dann muss im IMOK definiert werden:
- Bei jeder konkreten Planung steht die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer im Mittelpunkt. Wir tragen durch unsere Planung dazu bei, dass die schwachen Verkehrsteilnehmer bestmöglich geschützt werden.
- Wenn bei der konkreten Planung Konflikte zwischen den Ansprüchen der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer auftreten, wird grundsätzlich zu Gunsten des Umweltverbundes entschieden und geplant.
Ein weiterer Punkt betrifft die zeitlichen Abläufe. Zum Abschluss des ByPAD-Verfahrens im Jahr 2015 wurde als erstes Ziel das “Ausarbeiten eines Radverkehrs- bzw. Mobilitätskonzeptes für Paderborn mit Betrachtung aller wichtigen Handlungsfelder des Radverkehrs und unter Berücksichtigung von Best-practice Beispielen aus anderen Städten” genannt.
Bis zum Start des IMOK im Jahr 2019 wurde dieses Ziel nicht erreicht, die angedachte Ausarbeitung wurde noch nicht einmal begonnen. In den nun präsentierten Unterlagen wird als Maßnahme die Erstellung eines Nahmobilitätskonzepts genannt, wobei dieses Konzept den Radverkehr beinhaltet. Dieses Konzept befindet sich nach unserem Kenntnisstand in der Ausschreibung.
Wir halten es für einen handfesten Skandal, dass nun kurz vor Vollendung des IMOK nach nun sieben (!) Jahren die Konzeptarbeit wieder ganz am Anfang steht!
Vor diesem Hintergrund der zeitlichen Abläufe lohnt sich ein Blick ins Ausland, zum Beispiel nach Paris. Seit 2015 gibt es dort den „Plan Vélo“, laut ADFC eines der größten Projekte der Radverkehrsförderung weltweit. Dieser Plan hat das Ziel, hunderte Kilometer Straße in ein durchgängiges Radverkehrsnetz umzuwidmen. Stand November 2020 waren bereits 300 Kilometer davon umgesetzt. Laut ADFC stieg die Zahl der Radler bereits wenige Monate nach Öffnung der neuen Radwege um rund die Hälfte.
Hier zeigt sich deutlich, dass innerhalb von sieben Jahren mehr erreicht werden kann als die wiederholte Feststellung, dass ein Konzept benötigt wird.
Ein weiterer Kritikpunkt zu den zeitlichen Abläufen richtet sich an die Einbindung des Projektbeirats. Wie den verteilten Folien zu entnehmen ist, sind die Detailfolien für einen Maßnahmenworkshop am 15.6.2021 initial erstellt worden. Die Folien selber nennen als Datum auf den Titelfolien den Januar 2022. Verteilt wurden die Folien am Abend des 23.3.2022, also weniger als eine Woche vor der Sitzung des Projektbeirats.
Sicherlich mag dieses Vorgehen formal den Kriterien einer ‘Beteiligung’ entsprechen, eine qualitativ hochwertige Mitarbeit ist so allerdings kaum zu erwarten. Mindestens müssen solch große inhaltlich anspruchsvolle Termine geteilt werden in eine Präsentation der Ergebnisse und eine später folgende Feedbackrunde.
Bemerkenswert vor diesem Hintergrund sind auch die Aktivitäten auf der Seite https://www.imok-paderborn.de. Auch dort entdeckt man eine Lücke von März 2021 bis Februar 2022, in der keinerlei Information für die Öffentlichkeit freigegeben worden ist. So werden Zweifel geschürt, ob der Wunsch nach Beteiligung im Sinne einer aktiven Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst gemeint ist.
Leider liegt bis heute kein lesbares Kartenmaterial vor. Die in der Präsentation verteilten Folien enthalten zwar Bilder von Karten, diese sind aber in sehr geringer Auflösung eingebettet und erlauben keinerlei Betrachtung im Detail. Das ist besonders ärgerlich, da es offensichtlich Unterschiede in der Streckenführung für den Radverkehr zu den rund um die Anbindung an das kreisweite Netz verteilten Karten gibt.
Update vom 30.05.2022: inzwischen liegen die Folien mit den eingebetteten Bildern der Karten in guter Auflösung vor.
Neben allem Verständnis für konzeptionelle Arbeit bleibt weiterhin offen, dass dringend Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden müssen. Natürlich bewegt sich etwas in Sachen Radverkehr in Paderborn, aber leider in Trippelschritten. Längst überkommene Lösungen wie z.B. Radstreifen in Mittellage werden weiterhin geplant und sogar als Verbesserung gepriesen.
Um den Vorsprung zu den großen internationalen Vorbildern zu verringern, ist es eben zwingend notwendig, sich mit höherer Geschwindigkeit als die führenden Städte zu bewegen.
Auch mit der oft beschworenen ‘Rad-Affinität’ der gesamten Verwaltung ist es offensichtlich nicht weit her. Der Planungsstand der Maßnahmen an der Bahnhofstraße spricht eine deutlich andere Sprache.
Wir erwarten von unseren Ratsvertreterinnen und -vertretern zielgerichtete Entscheidungen für ein sicheres umweltfreundliches Radwegenetz. Der Beschluss von Anfang 2018, jedes Jahr eine Route Innenstadt-Ortsteil umzusetzen, ist bis heute nicht umgesetzt, und die Durchführung wird offensichtlich auch nicht mit dem nötigen Nachdruck kontrolliert.